Der Haarverlust



Bei vielen Chemotherapie-Schemata ist es leider so, dass die Haare ausgehen – bei den einen früher, bei den anderen später. Bei meinem Schema (R-CHOEP 14) begann mein Haarausfall mit der 2. Chemo, generell sagt man so nach 3 – 4 Wochen nach der 1. Chemogabe. Ich möchte in diesem Beitrag meine persönliche Erfahrung mit diesem sehr sensiblen Thema teilen und hoffe der oder dem ein oder anderen damit helfen zu können.

Mir wurde schon kurz nach der Diagnose mitgeteilt auf was ich mich einzustellen hab, nämlich den totalen Haarverlust. Ich – damals noch lange braune Haare, war natürlich geschockt – seit ich denken konnte hatte ich immer lange Haare – Das Gewohnte  jetzt hergeben zu müssen … keine leichte Sache. Wie es für mich typisch ist, begann ich sehr schnell einen „nohairdontcare – Masterplan“ zu schmieden, um mich möglichst auf den Tag der Tage vorzubereiten – körperlich und mental. Der Satz, der für mich am Ende des Tages über allem stand war, dass das ein Teil des Gesundwerdens ist, ein echt fairer Preis dafür, dass einem die Ärzte ohne Chemo noch ein halbes Jahr gegeben hätten. Das muss jetzt sein, der Krebs wird wohl leider nicht freiwillig ausziehen – also muss die Zwangsräumung her mit all ihren Konsequenzen. Das Gesundwerden steht über allem – Punkt. Und immer, wenn die Zweifel kamen, war das mein Mantra. Und dann hab´ ich mich informiert über die Möglichkeiten, die man hat, wenn sie weg sind, die möchte ich hier gerne mal aufzählen:


1.       Perücken: das war so das, was mein Onkologe zunächst meinte – jetzt kann man alle möglichen Frisuren und Farben ausprobieren. Damit hat er auch recht, es ist irre, wie einen die Frisur verändert. Meine erste Bestellung war eine Langhaarperücke aus Echthaar (donalovehair.com – 330€) – hier ist zu sagen, dass man sich beim Hausarzt ein Rezept ausstellen lassen kann über eine Perücke, die Krankenkassen zahlen oftmals dazu (bei mir die Barmer z.B. 406€). Echt, ich war am Anfang felsenfest überzeugt ich werde das Teil tragen und brauch die Haare (gut, dass es die Kasse gezahlt hat…) – aber ich hab´ mich entgegen meiner Erwartungen pudelwohl gefühlt `oben ohne´ und irgendwie ist mir das auch zu warm am Kopf (kann aber auch an den Hormonen und den damit verbundenen Hitzewallungen liegen). Eine kurze Perücke hab´ ich noch, die ist wesentlich leichter am Kopf und ebenfalls sehr schön stylebar, hatte ich auch schon auf als ich mit Nichte und Neffe im Tierpark war – denn eins muss man sagen, ohne Haare wird man echt begafft und in der Provinz gleich dreimal. Es gibt Tage, da hat man darauf einfach keinen Bock – da ist es dann doch gut Haare in der Reserve zu haben. Man kann sich ja auch erstmal in einem Zweithaarstudio beraten lassen, die Perücken dort haben halt ihren Preis – da muss man einfach abwägen, ob man auf den Kassensatz was draufzahlen möchte – ich bin froh, dass ich´s in meinem Fall nicht gemacht hab – es hätte sich schlichtweg nicht gelohnt. Es gäbe auch noch die Möglichkeit sich aus seinen eigenen Haaren eine machen zu lassen, aber das hat mit Sicherheit seinen Preis. Achja und gute Erfahrung hab´ ich auch mit günstigen Perücken von Amazon gemacht (ca. 40€), die kann man mal ausprobieren, sind zwar Kunsthaar – aber beinahe wie echte, stylebar und falls es glänzt soll Trockenshampoo helfen – sagt zumindest YouTube.


Fazit: Perücken sind absolut Geschmackssache – vielleicht erstmal ausprobieren, vom Tragekomfort an sich sehr angenehm (außer man hat Hitzewallungen), waschbar, föhnbar, stylebar; bei der Krankenkasse unbedingt die Höhe der Zuzahlung anfragen, günstige Perücken sind auch eine gute Wahl und sehen nicht zwingend aus wie Karneval – ich hab für mich im Alltag festgestellt, dass ichs einfach nicht bin.

2.       Beanies: Beanies und nochmal Beanies. Ich hab´ mittlerweile echt viele, einfarbig, mit Sternen, Ankern, Streifen, Flamingos, … in dick und dünn - meine Schwiegermama hat mir sehr viele genäht, wie sie sagt supereinfach und zum wenden – sau cool. Beanies mag ich echt gern, einfach aufsetzen und los geht’s, sehr unkompliziert und schnell. Am liebsten trag ich sie hinten so geschoppt, so bekommt man etwas Volumen rein, man kann sie aber auch klassisch hängen lassen.



Fazit: Beanies sind individualisierbar (mit etwas Nähgeschick), einfach & schnell angezogen, verleihen einen sportlichen Look und sind sehr leicht am Kopf

3.       Tücher: Schals, Bandanas & Co – für Wickeltechniken gibt es wunderbare Tutorials auf YouTube – egal ob Dreieckstuch, Schal oder Quadratisch. Dadurch entsteht ein sehr femininer Look in allen Möglichen Farben und Mustern. Auch lassen sie sich wunderbar mit Ohrringen, Hüten oder Caps kombinieren und es kommt schön Luft an die Kopfhaut.




Fazit: Tücher verleihen einen femininen Look, sind sehr individuell je nach Farbe/Muster, gut kombinierbar mit Accessoires und angenehm luftig am Kopf.

4.       Accessoires: ich liebe Hängeohrringe – ich trag sie täglich in allen möglichen Varianten. Sie verleihen immer etwas Feminines und lassen sich wunderbar mit Tüchern oder Beanies kombinieren. Und Haarbänder, auch in allen Formen und Farben – super zu kurzen Haaren oder kombinierbar mit Beanies.

5.       Strohhut: Für den Sommer im Garten, damit die Sonne nicht direkt auf den Kopf knallt und viel Luft drankommt – super angenehm an heißen „Daheimtagen“.

6.       Schlafmütze: Da ich nachts mit offenem Fenster schlafe (auch im Winter), hatte ich in den kalten Nächten eine gehäkelte Baumwollmütze. Natürlich geht auch jede andere Mütze, die feine Baumwolle jedoch war angenehm leicht, warm und trotzdem atmungsaktiv.

Das sind so die Dinge, die mich durch die haarlose Zeit begleiten. Außerdem noch ein paar Pflegetipps rund um die Glatze und Wimpern:

1.       Meine Glatze reinige ich täglich zusammen mit meinem Gesicht (mit Alverde Hamamelis Reinigunsschaum), ansonsten einfach mit warmen Wasser oder sanftem Babyshampoo.

2.       Öle sind super – z.B. kaltgepresstes Kokosöl, jetzt am Ende, wo langsam ein Flaum erkennbar ist, benutze ich Rizinusöl auch für die Augenbrauen und Wimpern, einfach ein bisschen einmassieren – nachts kann man ja z.B. ein Baumwolltuch darüber tragen.

3.       Die Wimpern und Augenbrauen fallen nicht gleich aus, meine fielen erst nach der 6. Chemo allmählich aus – von innen nach außen. Wimperntuschen und -abschminken fördert durch die mechanische Reizung leider ein ausfallen, weshalb ich auf Lidschatten und Lidstrich umgestiegen bin. Die fehlenden Augenbrauen male ich mit Augenbrauenpuder hin. Für besondere Anlässe habe ich auch noch künstliche Wimpern in Reserve.

4.       Alle restlichen Körperhaare fallen auch aus, bei mir noch vor den Kopfhaaren – was natürlich grad im Sommer furchtbar praktisch ist. Die Haut wird durch die Chemo jedoch sehr trocken und bedarf daher mehr Pflege (aber dazu kommt ein extra Beitrag).

Zurück zu meinem Haarverlust – ich hab´ mir dann nach der ersten Chemo gedacht, dass ich meine Haare abschneiden werde – quasi stufenweise kürzer werde, damit die langen Haare am Ende nicht überall verteilt rumliegen. Außerdem hatte ich furchtbar Lust darauf jetzt einfach was auszuprobieren, weil´s ja eh unaufhaltsam ist und darin liegt ja ne wunderbare Chance aus der Komfortzone rauszugehen. Gesagt getan, ich hab mir also einen Pixie schneiden lassen, hab mich direkt verliebt in den verspielten Look und weiß, dass ich danach zu diesem Look zurückkehren werde – hätte ich ohne Anlass wohl nie gewagt.




Leider hielt das ganze nur eine Woche, denn die Haare fingen langsam an zu rieseln, erst einzelne und im Krankenhaus zur zweiten Chemo dann büschelweise.



Natürlich war ich traurig, dass meine neue Lieblingsfrisur auf diese Weise zunichte gemacht wurde, aber ehrlich irgendwann will man sie nur noch loswerden. Und das hatte ich selbst nicht erwartet, diesen Verfall so greifbar zu haben hat mich irgendwie angeekelt, die Haare waren überall verteilt und außerdem fängt es an zu jucken und zu brennen. Ich wollte sie nur noch loshaben, Michi musste sie Zuhause dann sofort auf 1mm abrasieren und es war so befreiend, auch wenn zwischen drinnen natürlich eine Träne floss.



Als ich in den Spiegel sah fand ichs gar nicht schlimm, auch wenn ich mich erst fast nicht wiedererkannte. Das war es also, mein neues äußeres Erscheinungsbild, auf die eine Weise verletzlich, aber dadurch auch unfassbar stark – denn welche Frau trägt das schon so, irgendwie ein Statement.



Ich mochte es, ich mochte mich – denn jetzt war ich pur, so wie ich bin. Und ne Glatze hat so viele Vorteile, man braucht nicht mehr lange im Bad, der Kopf ist schön kühl, man kann die Kopfhaut wunderbar pflegen und das Gefühl ist super leicht.


Man fängt an sein Gesicht neu zu sehen, entdeckt neue Konturen, betont Wangenknochen, Augen und Lippen und trotzdem ist man noch der selbe Mensch, die Guten um einen rum sehen das und auf diejenigen, die einen deswegen anders behandeln, kann man so oder so verzichten. Vielleicht hatte ich deshalb so wenig Probleme, weil ich mich über mein äußeres nie groß definiert hab – ich fand mich hübsch, aber für mich zählte immer der Charakter. Wie oben beschrieben, hab´ ich die Kopfbedeckungen für mich entdeckt – sie sind mittlerweile fester Bestandteil meiner Outfits und in Glatze fühl ich mich an den meisten Tagen auch pudelwohl.

Natürlich freut man sich wieder auf Haare/Wimpern und Augenbrauen, ungeschminkt sieht man doch sehr ungesund aus und die mitleidigen Blicke ist man auch irgendwann leid, die bekommt man auch mit Tüchern und Beanies zu genüge, da muss man sich einfach ein dickes Fell zulegen oder Perücke tragen. Jetzt am Ende habe ich längere Pausen, damit sich das Knochenmark erholen kann und tatsächlich bildet sich schon ein leichter Flaum, da freut man sich natürlich 😊 – ich finde vor dem Haarverlust braucht man keine Angst haben, das sagt sich natürlich leicht, denn jeder nimmt das anders an – für mich war es unterm Strich nicht allzu schlimm, es ist Teil meines Gesundwerdens und Ich bin immer noch ich, ob mit oder ohne.

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