In der Kinderwunschklinik – 05.01.2018 - Teil V




Das Thema Kinderwunsch ist gerade als junger Mensch mit Krebs sehr schwierig, denn so eine Chemotherapie ist unter Umständen Erbgutschädigend – d.h. eine größere Fehlgeburtenrate, oder DNA Schäden in den Keimzellen sind möglich – natürlich ist das von Chemo zu Chemo unterschiedlich und die genauen Auswirkungen beim Einzelnen kann man leider nicht prognostizieren. Daher gibt es die Möglichkeit einer Krykonservierung von Eizellen oder Eierstockgewebe, die Kosten hierfür (OP (ggf. Krankenkasse) & Lagerung) muss man selbst tragen und da sehe ich ein sehr großes Defizit in unserem Gesundheitssystem!! – das Ganze ist nämlich nicht gerade günstig und ein Kinderwunsch sollte meiner Meinung nach keinesfalls von finanziellen Verhältnissen abhängig sein!

Im Folgenden möchte ich meine Gedanken und Erfahrung mit euch teilen, die dazu geführt haben, dass ich mich gegen die Entnahme von Eierstockgewebe entschieden habe und eine andere Methode gewählt habe. Mir ist sehr wichtig zu sagen, dass ich niemanden angreifen möchte, der sich für die Kryokonservierung entschieden hat, denn das Kinderthema ist ein sehr sensibles und die Meinungen darüber klaffen arg auseinander, jeder sollte so entscheiden, wie er sich am wohlsten fühlt und das respektiere ich. Die unterschiedlichen Lebensumstände und Krankheitssituationen sind auf keinen Fall vergleichbar und die Entscheidung die zu treffen ist daher höchst individuell. Einen großen Dank an dieser Stelle an meine wunderbare Frauenärztin Dr. Böhm, die bei dieser schweren Entscheidung sehr sensibel und verständnisvoll mit mir umgegangen ist und sich sehr viel Zeit für die ausführliche Beratung über FertiPROTECT genommen hat.


Bei mir spielte damals ein extremer Zeitdruck mit, seit der Diagnose waren drei Tage vergangen und laut meines Onkologen war es höchste Eisenbahn die Chemotherapie zu beginnen – ein hormonell gesteuertes heranreifenlassen von Eizellen und deren Entnahme war daher zeitlich nicht mehr möglich, zur genauen Beratung zwecks Alternativen sollte ich jedoch in ein Kinderwunschzentrum gehen. Es wurde eine Entnahme von 40 - 50% meines verbliebenen Eierstocks und dessen Kryokonservierung eine Woche vor der geplanten Chemotherapie vorgeschlagen. Die Geburtenrate nach einer solchen späteren Transplantation lag 2015 bei 25 -30%. Bei mir wäre es so gemacht worden, dass das Gewebe dann an die Beckenwand genäht wird, sich dann reaktivieren muss, damit sich dann der Eileiter hinbewegt, ein Ei von dem Transplantierten Gewebe dann draufspringt und das muss dann in einem bestimmten Zeitfenster befruchtet werden (da die Transplantate bei erfolgreicher Reaktivierung bisher oft nur einige Jahre aktiv sind). Das auf diesem (zeitlich begrenztem) Weg gezeugte Kind kann ja auch abgehen, wie leider bei vielen normalen Schwangerschaften und die Wiederholungsversuche sind dann begrenzt, denn wie lange das Gewebe aktiv sein wird kann einem keiner sagen ... nicht einfach die ganze Geschichte. Jetzt war ja meine Ausgangssituation mit nur noch einem funktionierenden Eierstock ja etwas anders ist als bei anderen Frauen, die noch beide haben, das ganze ist ja auch eine Frage des Hormonhaushalts dann nach der Chemo und des Eingreifens in dieses System. Das wurde bei mir vor der Chemo noch getestet wurde und mit einem Eierstock hormonell einwandfrei funktioniert, mit nur noch einem halben würde die Menopause unter Umständen dann auch nach vorne gerückt. Und mein Kinderwunsch liegt mit Ausbildung, Studium usw. ehrlich gesagt auch noch in weiter Ferne, weshalb eine ca. 13 – 15 jährige Lagerung angestanden hätte. Die Kosten sind auf der Homepage von FertiPROTECT ersichtlich und setzen sich wie folgt zusammen:
-          Entnahme des Gewebes (ambulante Bauchspiegelung): ca. 1000 – 1500€ (teilweise von Krankenkassen übernommen)

-          Kryokonservierung (Einfrieren und Lagerung pro Jahr): ca. 400 – 800€

-          Transplantation von Eierstockgewebe: ca. 1000 - mehrere Tausend Euro (teilweise von Krankenkassen übernommen)

Ich hätte es gern gezahlt - aber für mich war der Gedanke absurd, dass mir keiner eine Garantie geben konnte, dass das Gewebe zu 100% krebsfrei ist und bei so ner Krankheit sind mir auch 99% zu wenig. Auf eine Neuerkrankung hab ich echt keinen Bock mehr. In Studien wurde die Nachweisbarkeit von Tumorzellen in Eierstockgewebe geprüft, bei Hodgkin-Lymphomzellen konnten diese fast nie nachgewiesen werden – ein „fast nie“ ist mir jedoch zu wenig, denn es wird nach der Entnahme nur eine Stichprobe untersucht. Im Internet wird auch darauf verwiesen, dass ein grundsätzliches Risiko der Tumorzellenverschleppung besteht, dieses Risiko ist aber von der Krebsart abhängig, meiner war halt leider schonmal am Eierstock.  Naja, und dann kam der nächste Gedanke, was das wohl mit ner Beziehung macht, wenn man festgestellt hat, eines von wenigen Eiern ist gesprungen und dann sollen beide auf Knopfdruck funktionieren – den Gedanken finde ich grausam. Dann klappt es vielleicht nicht und was dann? … da lieb ich meinen Partner zu sehr, um uns so einen Leistungsdruck und Stress auszusetzen. Ich hab´ dann ne Nacht drüber geschlafen und bin zu dem Entschluss gekommen ich mach´s nicht, das steh ich nicht dahinter – mit einer Eizellenentnahme wäre das vielleicht was anderes gewesen, keine Ahnung, hab ich mir auch keine Gedanken gemacht, weil´s eh nicht zur Debatte stand.

Es soll dann sein, aber dann auf natürlichem Wege und nicht erzwungen oder es soll nicht sein, dann gibt es viele andere Möglichkeiten. Und ich weiß jetzt schon, wenn ich sag ich mal 15 Jahre meine Ruhe von dem Krebs hatte und dann die Entscheidung treffen müsste mit der Transplantation und dem Gewebe vom Zeitpunkt Krebs… dann Nein. Ich könnt es einfach nicht. Mein Bauchgefühl war einfach total gegen das halbieren meines übriggebliebenen Eierstocks und ich erinnere mich gut an das hin und her in meinem Kopf in dieser Nacht. Samstag früh rief ich die Ärztin dann an und sagte ihr, sie könne den Kryotransporter stornieren, ich habe mich dagegen entschieden. Sie hatte vollstes Verständnis, kannte ja auch meine Ausgangssituation und daher nahmen wir dann die Methode eines „hormonellen Winterschlafs“, bei dem die Zellen dann weniger angreifbar sind – die sogenannten GNRH-Agonisten.  Das Funktionsprinzip ist, dass die Ausschüttung der Hormone LH und FSH durch die Hirnanhangsdrüse verhindert werden, welche normalerweise die Eizellreifung und Hormonproduktion in den Eierstöcken anregen. Die  Ausschaltung der Hormonbildung in den Eierstöcken soll die Empfindlichkeit des Eierstockgewebes gegenüber einer Chemotherapie reduzieren, das System wird in eine Art Winterschlaf versetzt. Die Anwendung von GnRHa wird jedoch kritisch diskutiert - Gründe hierfür sind der noch nicht definitiv bewiesene schützende Effekt und die – allerdings ebenfalls unbewiesene Vermutung, dass die Senkung der Hormonbildung in den Eierstöcken bei hormonabhängigen Tumoren (z.B. manchen Brustkrebsformen) auch die erwünschte Wirkung der Chemotherapie auf Tumorzellen verringern könnte - hierfür existieren aktuell jedoch keine Beweise. GnRHa werden als 1- oder 3-Monats-Depot ca. eine Woche vor der Chemotherapie subkutan gespritzt. Die Gabe wird dann bis 1-2 Wochen nach der letzten Chemotherapie wiederholt. Die meisten Zusammenfassungen der Studien seit 2011 zeigen, dass sich durch GnRHa die Wahrscheinlichkeit einer dauerhaft erloschenen Eierstockfunktion nach der Chemotherapie deutlich senken lässt und einige Studien beschreiben nach Therapieabschluss außerdem eine höhere Schwangerschaftsrate bei Frauen, die zur Chemotherapie einen GnRHa erhielten. Grundsätzlich können GnRHa zu Wechseljahresbeschwerden wie Hitzewallungen etc. führen – diese habe ich leider stark bemerkt. Der bei einer Anwendung > 6 Monate mögliche denkbare Verlust der Knochendichte spielt normalerweise keine Rolle, da die Chemotherapie diese Zeitdauer in aller Regel nicht überschreitet.  Die Kosten für die monatliche Spritze liegen bei ca. 180€ und werden von den Krankenkassen nur in Ausnahmen übernommen. Wegen der hohen Dringlichkeit der ersten Chemo wurde bei mir vor der ersten Chemotherapie ein sogenannter GnRH-Antagonist gespritzt – der Wirkt etwas schneller und die Chemotherapie kann dann z.B. bereits am Folgetag beginnen.

Zusammenfassend bin ich dankbar, dass sich Ärzte heutzutage für ein solch wichtiges Thema einsetzen und man am Anfang einer Krebserkrankung dahingehend beraten wird – denn in dem ganzen Anfangschaos denkt man oft nicht so weit. Ich bin sehr froh um die Monatsspritze, die ich jetzt 5 Mal erhalten habe, trotz den vorübergehenden Wechseljahrsbeschwerden. Ich bereue meine Entscheidung nicht und bin damit zufrieden, wie ich das jetzt über die Chemotherapie gehandhabt habe. Ich würde mir sehr wünschen, dass unser Gesundheitssystem umdenkt und junge erkrankte Menschen in ihrem Kinderwunsch besser unterstützt als nur „in Ausnahmefällen“ – denn es gibt so viele Menschen, die sich für einen Eingriff und die Kryokonservierung entscheiden, nicht für jeden ist es finanziell mal so machbar und das kanns ja wohl nicht sein.


Für genauere Informationen möchte ich euch noch die Internetseite vom Netzwerk FertiPROTECT E.V. dalassen: http://fertiprotekt.com/ ,dort findet ihr nochmals umfangreichere Informationen rund um die Möglichkeiten einer Fertilitätsprotektion und die teilnehmenden Ärzte und Kliniken.

Kommentare

  1. Liebste Nono,
    Deine Texte sind immer so schön geschrieben und man merkt wirklich, dass du dort einiges an Arbeit rein steckst. :) Ich bin schon immer auf deinen nächsten Blogpost gespannt.
    Auch finde ich toll, dass du so offen mit den Dingen umgehst, über die zu berichten es wohl nicht immer leicht ist.
    Lustig fand ich, dass ich genau bevor ich deinen Blogpost gelesen habe, die Hormone der Adenohypophyse gelernt habe.
    Daher konnte ich genau nachvollziehen, wovon du sprichst. ;-)
    Ich sende dir weiterhin ganz viel Kraft und fühl Dich gedrückt,
    Deine Sandi

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Liebe Sandi,
      freut mich wahnsinnig, dass du so fleissig mitliest und dir die Beiträge gefallen :) ohja stimmt total, grad bei so sensiblen Themen ist es schwer den richtigen Wortlaut zu finden um das zu transportieren was man erlebt hat. Und das mit deiner Vorlesung ja n hammer Zufall :D - wahrscheinlich lernst du irgendwann auch noch die Wirkungsweise von Zytostatika und kannst mir dann erklären welches eigentlich was macht ;)
      Danke für die Kraft und die lieben Wünsche und Drücker zurück!
      Deine Nono :)

      Löschen

Kommentar veröffentlichen

Beliebte Posts